Ein neues Problem
Damit die meisten unserer elektrischen Geräte funktionieren muss die Netzfrequenz bei 50 Hz liegen, was nur erreicht werden kann, wenn die erzeugte Leistung dem Verbrauch entspricht. Wird plötzlich mehr oder weniger Strom verbraucht, ändert sich die Frequenz und das muss mittels Primärregelkraftwerke ausgeglichen werden. Bis diese jedoch die geforderte Leistung aufgebracht haben, verhindert die Systemträgheit eine inakzeptable Veränderung der Netzfrequenz. Die Trägheit resultiert aus den rotierenden Massen der am Netz befindlichen Maschinen, zum Beispiel den Turbinen. Solche gibt es in einem Netz, das ausschließlich mit erneuerbaren Energien versorgt wird, allerdings kaum noch. Wie kann man also Windenergieanlagen dazu bringen, dass sie das Netz mit der nötigen Trägheit versorgen?
Eine neue Idee
Clemens Jauch ist Professor für Windenergietechnik am Institut für Windenergietechnik (WETI) der Hochschule Flensburg und hat eine Lösung für das oben beschriebene Problem gefunden. Und dafür stand eine Eiskunstläuferin Pate. Was erst mal ungewöhnlich klingt, erklärt Jauch so: Dreht sich eine Eiskunstläuferin mit ausgestreckten Armen, hat sie eine große Trägheit und dreht sich langsam. Zieht sie die Arme an, beschleunigen sich die Drehungen, da sie weniger träge ist. Dieses Prinzip er dann auf den Rotor einer Windenergieanlage übertragen. Dafür ist er kürzlich beim Ideenwettbewerb Schleswig-Holstein mit dem Sonderpreis Green Economy ausgezeichnet worden.
Eine neue Lösung
Die Jury wie auch die Fachwelt sind begeistert von dem Vorhaben, im Rotorblatt zwei Kolbenspeicher – einen außen (nahe der Blattspitze), einen innen am Rotor (nahe der Nabe) – einzubauen und diese mit einer Hydraulikflüssigkeit zu befüllen. Wird die Flüssigkeit nach außen geschoben, wird, wie bei der Eiskunstläuferin, die ihre Arme austreckt, das Massenträgheitsmoment groß und Rotationsenergie wird eingelagert. Wird zusätzliche Leistung im Netz gebraucht, wird die Hydraulikflüssigkeit in die inneren Kolbenspeicher gedrückt. Das ist dann so wie wenn die Eiskunstläuferin ihre Arme anzieht, was dazu führt, dass sie sich schneller dreht. Das beschleunigende Drehmoment wird jedoch nicht dazu genutzt, die Drehzahl der Anlage zu erhöhen, sondern die entstehende Leistung wird ins Netz gespeist, um einen zu abrupten Frequenzabfall zu verhindern – bis die Primärregelkraft Verbrauch und Leistung wieder in Gleichklang bringt. „Leistung bei einer Windkraftanlage abzuregeln, ist einfach. Aber mit dieser Methode können wir schnell Leistung ins Netz bringen“, sagt Jauch.