Sonne für sauberes Wasser nutzen
Jedes Jahr sterben auf der Welt etwa 1,5 Millionen Menschen, weil sie verunreinigtes Wasser trinken. Besonders Entwicklungsländer sind betroffen. Gemeinsam mit der Universität Valle aus Cali in Kolumbien arbeitet die Technische Hochschule Mittelhessen an einem einfachen Verfahren, Wasser mit Sonnenlicht und einem Katalysator zu desinfizieren. Das gemeinnützige Unternehmen „Engagement global“, das Entwicklungsinitiativen im Auftrag der Bundesregierung unterstützt, fördert das Vorhaben mit 10.000 Euro. Alexander Behr, der in Gießen Bauingenieurwesen studiert, arbeitet mit zwei Kommilitonen aus Kolumbien an dem Projekt. Initiator ist Prof. Dr. Markus Röhricht vom Fachbereich Life Science Engineering, der schon mehrere Forschungssemester an der südamerikanischen Partnerhochschule verbracht hat.
Als Katalysator dient Titanoxid. Es bildet bei Bestrahlung mit Sonnenlicht sogenannte Radikale. Das sind Substanzen, die organische Schadstoffe oxidieren und Bakterien und Viren inaktivieren. Dieser Prozess wird in der Fachsprache photokatalytische Oxidation genannt. Titandioxid ist ein kostengünstiges Material, das zum Beispiel für weiße Wandfarben aber auch als Lebensmittelzusatzstoff in Kaugummis oder Zahnpasta genutzt wird.
Für eine einfache Reinigung benötigt man eine Flasche ohne UV-Schutz, in die ein Edelstahlnetz eingeführt wird, auf dem das Titanoxid haftet. Legt man diese Flasche für einige Stunden in die Sonne, hat man hygienisch unbedenkliches Trinkwasser. Für größere Mengen ist ein Durchlaufreaktor nötig, der ähnlich einer Solarerwärmungsanlage aufgebaut ist. Zur Möglichkeit, das Verfahren auch in Deutschland – zum Beispiel bei Katastrophenfällen wie der Flut im vergangenen Sommer – einzusetzen, äußert Röhricht sich eher skeptisch. Dazu reiche in unseren Breitengraden die Intensität der Sonneneinstrahlung nicht aus.
Da pandemiebedingt Reisen bisher nicht möglich waren, haben Alexander Behr und seine kolumbianischen Partner ihre Kooperation über das Internet organisiert. Sie optimieren den Reinigungsprozess und analysieren, unter welchen Bedingungen welche Stoffe in welcher Zeit abgebaut werden. Im Labor stehen spezielle Lampen zur Verfügung, die Sonnenlicht simulieren. Zu den Aufgaben gehören auch Versuche mit dem Durchlaufreaktor und Untersuchungen, wie Sickerwasser aus Mülldeponien zu reinigen ist. Arbeitsfeld ist für diesen Zweck die Deponie Reiskirchen.
Die Firma Lynatox aus dem thüringischen Ohrdruf unterstützt das Projekt. Das Unternehmen fixiert den Katalysator auf dem Trägermedium und hat Durchflussreaktoren für die Experimente an der THM zur Verfügung gestellt.
Foto: Armin Eikenberg (THM)