Schreibnacht als Digitales Best-Practise-Beispiel
Hochschule Karlsruhe: Schreibnacht als Digitales Best-Practise-Beispiel
Das wissenschaftliche Schreiben spielt auch in den Ingenieurwissenschaften – manchem Vorurteil entgegen – eine wichtige Rolle. Die praxiserfahrenen Professorinnen und Professoren der HAW kennen entsprechende Kompetenzanforderungen aus eigenen Qualifikationsarbeiten, wissenschaftlichen Tätigkeiten und aus zahlreichen erfolgskritischen Situationen aus dem Berufsalltag in Unternehmen. Bedingt durch fachdisziplinäre Traditionen wird das wissenschaftliche Schreiben in den Ingenieurwissenschaften dennoch selten als zu entwickelnder Kompetenzbereich explizit adressiert. Dies trägt dazu bei, dass die Ergebnisse der mitunter ersten „Gehversuche“ der Studierenden im wissenschaftlichen Schreiben nicht immer den Qualitätsanforderungen der Lehrenden entsprechen – die als Referenz die Qualitätsstandards aus der fachwissenschaftlichen und beruflichen Praxis kennen.
Auf Basis dieser Erfahrungen hat die Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft in den vergangenen Jahren mehrere Initiativen gestartet, um die Entwicklung von Schreibkompetenzen zu fördern. Neben fachlich verankerten Angeboten an den Fakultäten wurde im Jahr 2012 eine hochschulweite Abendveranstaltung zum wissenschaftlichen Schreiben für Studierende initiiert und seither wurden 15 dieser Schreibnächte mit stabil gutem Erfolg in Präsenz durchgeführt. Umgesetzt wurde diese Veranstaltung mit bis zu 15 Workshops und parallelen Beratungsangeboten unter Beteiligung eines weiten Spektrums an hochschulinternen Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern (u. a. Allgemeiner Studierendenausschuss, Zentrale Studienberatung, mehrere Lehrende der Hochschule, Fachbibliothek, Geschäftsstelle der Studienkommission für Hochschuldidaktik sowie externe Referentinnen und Referenten).
Im ersten pandemiebedingten Online-Semester musste die noch als Präsenzveranstaltung geplante Schreibnacht aufgrund der Kontaktbeschränkungen entfallen. Insbesondere der hochschulweite Einzugsbereich hätte die Veranstaltung mit üblicherweise rund 100 Präsenzteilnehmenden, verteilt auf wenige benachbarte Veranstaltungsräume, als „Superspreading-Event“ qualifiziert. Daher wurde die Veranstaltung im darauffolgenden Wintersemester auf ein Online-Format umgestellt. Dazu wurde das Programm auf zwei Abende verteilt und für eine höhere Übersichtlichkeit im virtuellen Raum auf zeitlich parallellaufende Workshops verzichtet und die einzelnen Programmpunkte für einen weitgehend seriellen Ablauf optimiert. Es war davon ausgegangen worden, dass ein wesentlicher Anreiz zur Teilnahme an der Schreibnacht in der vertrauensvollen und kollegialen Atmosphäre der Präsenzveranstaltung begründet läge. Umso mehr übertraf die im Online-Format erzielte Reichweite die Erwartungen: In den einzelnen Workshops waren selten weniger als 50 Teilnehmende eingeloggt. Spitzenreiter war ein Workshop mit mehr als 120 Teilnehmenden. Die Erfahrungen wiederholten sich bei der darauffolgenden 17. Schreibnacht, ebenfalls im Onlineformat, bei der Teilnahmezahlen erreicht werden konnten, denen die Raumkapazitäten in Präsenz kaum gewachsen gewesen wären. Mit rund 200 Teilnahmen wurde ungefähr eine Verdopplung der Resonanz erreicht. Die Studierenden lobten u. a. das „breite Spektrum an verschiedenen Workshops“, die freie Themenwahl („man konnte flexibel wählen“), die „einfache Zuschaltung von zu Hause“ und „dass über den Chat und Umfragen viel ‚Interaktivität eingebaut‘ war“. Ähnliche Erfahrungen konnten mit der intensiv nachgefragten individuellen Schreibberatung im Online-Format gemacht werden. Die deutlich gestiegene Nachfragesituation lässt sich dadurch erklären, dass die Studierenden in den Phasen der Abschlussarbeiten oft nur eingeschränkt auf dem Campus verfügbar sind, insbesondere, wenn sie diese – wie an den HAW typisch – in Kooperation mit Unternehmen schreiben. Das Online-Format der Schreibnacht und der Schreibberatung erfüllt hier offenbar die Bedarfe dieser Zielgruppe besser, als dies bei Präsenzformaten der Fall war; zugleich wird der verbindliche soziale Kontakt auch im digitalen Raum erlebt. Der überraschende Erfolg der Online-Formate von Schreibnacht und Schreibberatung lässt nun umgekehrt fragen, welche Themen, Anliegen, Lernziele im Bereich der Schreibförderung notwendig der Präsenz bedürfen. Weitere Infos: z.B. https://www.h-ka.de/die-hochschule- karlsruhe/aktuelles/news/2021/schreibnacht