Plötzlich Studentin: Weiterbildung für Pflegekräfte
Wenn Pflegekräfte Studierende werden: Ein Modulstudium von Hochschule Coburg und REGIOMED-Akademie qualifiziert Krankenschwestern und -pfleger für Führungsaufgaben im Gesundheitswesen. Die ersten haben diese Weiterbildung jetzt abgeschlossen.
Im Pflege- und Gesundheitssektor sind Fachkräfte rar. Kliniken suchen Praktikerinnen und Praktiker, die Potenzial haben, sich zu entwickeln, die Verantwortung übernehmen können. Laura Weiß ist 25 Jahre alt, Krankenschwester und stellvertretende Stationsleitung auf der Neurologischen Intensivstation in der Schön-Klinik Bad Staffelstein. Sie kommt aus Rattelsdorf im Landkreis Bamberg. Jennifer Andert wohnt in Michelau im Landkreis Lichtenfels, ist 33, ebenfalls Krankenschwester und Stationsleiterin der Schlaganfall-Abteilung Stroke Unit mit Früh-Reha am Klinikum Bamberg. Andert hat knapp 50 Mitarbeitende unter sich, Weiß 32. Die beiden gehören zu den ersten Pflegekräften, die an der Hochschule Coburg das Modulstudium „Betriebswirtschaft in Gesundheitsberufen“ absolviert haben. 2019 haben REGIOMED-Akademie und Hochschule eine Kooperation für eine Weiterbildung gestartet, die nach den Standards der Deutschen Krankenhausgesellschaft zur Leitung einer Station qualifiziert: Pflegerische Inhalte vermittelte die REGIOMED-Akademie, Kenntnisse in Controlling, Personalführung und Organisation bekommen die Studierenden an der Hochschule.
Bosch, Brose und der Blick in andere Welten
Laura Weiß lacht. „Am Anfang wussten wir gar nicht, ob wir richtig als Studierende zählen.“ Neuland. Neun Krankenschwestern und ein -pfleger kamen 2019 an die Hochschule, um neben ihrer Arbeit jeden Monat in einer Block-Woche zu studieren. Das Modul, das bei Bedarf später auch für ein volles BWL-Studium angerechnet werden kann, haben sie jetzt abgeschlossen. Laura Weiß und Jenny Andert werden bei der Abschlussfeier gemeinsam die Rede halten. Vorher erzählen sie noch ein bisschen von ihrer Zeit an der Hochschule – eine in vieler Hinsicht besondere Zeit. „Als Corona kam, haben wir erst einmal pausiert. Wir wurden an anderer Stelle gebraucht“, sagt Andert. Die verpassten Vorlesungen wurden hinten drangehängt, zwischendurch gab’s Online-Unterricht. „Prof. Dr. Hedwig Schmid hat zum Beispiel Online-Exkursionen vereinbart. Da wurde uns aus dem Management des Klinikums Regensburg berichtet aber auch aus einer kleinen Privatklinik – und aus der Industrie. Bei Bosch und Brose läuft’s doch ganz anders als im Krankenhaus.“ Die Pflegekräfte lernten welche Möglichkeiten für Personalbeurteilungen es gibt und wie Personalgespräche geführt werden. Wie reagiere ich, wenn ein Kollege oder eine Kollegin sagt, irgendetwas sei schon immer so oder so gemacht worden? Wie, wenn einer unangenehm riecht? Welche Rechte haben Mitarbeitende – und welche die Vorgesetzten? „Prof. Dr. Uwe Gail hat uns Arbeitsrecht und Strafrecht an vielen Praxisbeispielen erklärt“, erinnert sich Weiß. Im Zweifel ist die Pflegedienstleitung die übergeordnete Stelle, aber Stationsleitungen müssen wissen, was sie regeln können und was im Hintergrund läuft – vom Management über die Finanzen bis zur Arbeit der Personalabteilung.
Eine Kooperation, die allen Vorteile bringt
Prof. Dr. Felix Weispfenning, Vizepräsident der Hochschule Coburg, würdigte bei der Abschlussveranstaltung den Mut der Teilnehmenden, die sich getraut haben, als erster Jahrgang dieses neue Format anzugehen. Prof. Dr. Michael Hartmann, Leiter der Fakultät für Weiterbildung, freute sich besonders, dass die erfolgreiche Kooperation weitergeführt wird. Ins Leben gerufen hatte sie sein Vorgänger Prof. Dr. Roland Hertrich und seitens der REGIOMED-Akademie Prof. Dr. Dorothea Thieme. Robert Wieland, Geschäftsführer der bayerischen REGIOMED-Einrichtungen erklärte bei der Abschlussfeier, dass Personalfindung und -bindung heute für Kliniken besonders wichtig sei. „Bis 2030 werden deutschlandweit 500.000 Pflegekräfte fehlen und der Fachkräftemangel macht Veränderungen im Berufsbild nötig.“ Die Weiterbildung ermögliche, selbst Führungskräfte mit höchstem Engagement und Eigenverantwortung zu entwickeln. Die zweite Gruppe ist bereits mit 17 Pflegekräften gestartet.