Platz 2: Verkehrte Welt
50 Jahre Hochschulen für Angewandte Wissenschaften
Verkehrte Welt – Laborpraktika im Bereich Geotechnik mal umgedreht
Prof. Dr.-Ing. Thomas Benz
Idee: Normalerweise funktioniert ein Laborpraktikum im Bereich der Geotechnik so: Prof. Dr.-Ing. Thomas Benz baut bei den Studierenden zunächst Grundlagenwissen im Bereich der Bodenmechanik und Felsmechanik auf. Er erklärt den Zweck und den Ablauf boden- und felsmechanischer Versuche. Unterstützt wird er dabei von Laborant Benjamin Rieger. Dann basteln die Studierenden mit ihren eigenen Händen am Versuchsaufbau, führen „hands-on“ verschiedene Versuche durch und werten diese aus. Herr Rieger gibt praktische handwerkliche Tipps. Dieser enge praktische Bezug ist charakteristisch für das Bauingenieur-Studium an der HFT Stuttgart, doch unter Corona-Bedingungen war eine derartige praktische Arbeit in Kleingruppen monatelang nicht möglich. Umso größer war die Herausforderung, ein digitales Format zu entwickeln.
Durchführung: Laborant Benjamin Rieger schnallte sich kurzerhand einen Rucksack mit Kamera um, erstellte Filme aus der Ego-Perspektive und erklärte darin die wichtigsten Standard-Versuchsaufbauten. Dabei schüttet er beispielsweise Sand in einen Versuchszylinder, um die lockerste und dichteste Lagerung zu bestimmen oder führte mit dem Proctorhammer einen Verdichtungsversuch durch, um die optimale Dichte und Wassergehalt zu bestimmen. In der Felsmechanik bekam jeder Studierende (beziehungsweise in Kleingruppen) zu Semesterbeginn einen speziellen Versuch zugeteilt und sollte sich in entsprechende Normen einlesen und Ideen zur Umsetzung und Durchführung des konkreten Versuches entwickeln. Für die Arbeit in Online-Echtzeit hielt nun jeder Studierende von zu Hause aus per Zoom ein Referat zu seinem Versuch. Die Studierenden gaben quasi „Regieanweisungen“ an den Professor und seinen Laboranten. Wie bei einer Pantomime-Vorstellung steuern die verbalen Anweisungen der Studierenden die Handgriffe der Lehrpersonen im hybriden Labor, die wiederum von einer Kamera erfasst wurden. Im Anschluss las Herr Rieger bestimmte Kennwerte zum jeweiligen Versuch ab und übermittelte sie an die Studierenden. Diese werteten die Daten – vor dem Hintergrund anfänglicher Hypothesen – aus und bewerteten diese mit Blick auf geltende Normen und der recherchierten Literatur.
Learnings: Indem nicht die Lehrenden die Handlungsanweisungen gaben, sondern die Studierenden, drehte man die Lehr-/Lernsituation quasi um. Natürlich fehlt die Haptik, das Anfassen, und auch der Geruch der Baustoffe, das Erfassen mit allen Sinnen also. Doch indem die Studierenden selbst Handlungsanweisungen an die Lehrenden formulierten, setzten sich die Studierenden intensiv mit den Versuchsanforderungen auseinander. Dies führte zu einem sehr aktiven und bewussten Lernen.
https://www.hft-stuttgart.de/hft/aktuell/hft-goes-digital/fakultaet-b/verkehrte-welt
Ansprechpartner: Prof. Dr.-Ing. Thomas Benz | t.benz@hft-stuttgart.de | +49 711 8926 2835