Mit Ultraschall in neue Dimensionen
Die ultraschallunterstützte Bauteilbearbeitung ist ein Schwerpunkt am Institut für Produktionstechnik (IfP) an der WHZ. Die beiden Wissenschaftler Prof. Matthias Kolbe und Prof. Michael Schneeweiß sind auf der Suche nach neuen Anwendungsfeldern und Partnern, die sich für diese Technik interessieren.
Am Institut für Produktionstechnik werden neue, innovative Fertigungsverfahren entwickelt, untersucht und in die industrielle Praxis überführt. Aktuelle Trends in der Fertigungstechnik betreffen dabei unter anderem die kryogene Zerspanung, die Entwicklung und Erprobung neuer Strategien zur Fertigung von Turbinenkomponenten und die ultraschallunterstützte Bauteilbearbeitung.
Jahrelange Erfahrung in der ultraschallunterstützten Bearbeitung
Seit mehr als 15 Jahren forscht und entwickelt die Forschergruppe Spanungstechnik auf dem Gebiet der Ultraschallbearbeitung in zahlreichen Forschungsprojekten. Die Anwendungen von Ultraschall sind vielseitig und finden in der Medizin und in der Technik heutzutage einen breiten Einsatz: So zum Beispiel in der Sonografie und der Echokardiografie von Mensch und Tier und der Ultraschalltherapie zur Schmerzlinderung. Weitere Anwendungsgebiete sind das Ultraschallschweißen in der Fügetechnik und das Ultraschallschneiden sowie Werkstoffprüfungen mit Ultraschallgeräten oder Ultraschallschwingläppen, zur Herstellung komplexer Geometrien und von extrem glatten Flächen zum Beispiel für die Raumfahrtindustrie.
Flexible und preiswerte Prototypen entwickelt
Am IfP werden drei spezielle Verfahrensvarianten der ultraschallunterstützten Bearbeitungsmethoden im Detail untersucht. Dies betrifft das ultraschallunterstützte Bohren mit geometrisch bestimmter Schneide, das Ultraschallglätten und das Ultraschallverfestigen.
Diese Bearbeitungsmethoden haben gegenüber herkömmlichen Fertigungsprozessen enorme Vorteile. Durch Ultraschallglätten kann die Rauheit von Oberflächen drastisch reduziert werden. Beim Ultraschallverfestigen werden versagensrelevante Zugeigenspannungen an CVD-beschichteten Schneidstoffen reduziert. Das ultraschallunterstützende Bohren vermindert die Gratbildung am Bohrer-Austritt und reduziert die Bearbeitungskräfte deutlich. Dazu wird ein mit Partnern entwickelter Prototyp zu Forschungszwecken eingesetzt. Da es am Markt im Bereich des Ultraschallbohrens nur vergleichsweise teure Sondermaschinen gibt, besitzt das IfP hier ein Alleinstellungsmerkmal. Darüber hinaus entwickelten die Wissenschaftler einen weiteren preiswerten und flexiblen Prototyp auf Basis des Ultraschallschweißens. Dieser wird in Dreh- oder Fräsmaschinen integriert und zum Glätten und verfestigen eingesetzt. Auch dafür gibt es derzeit noch keine industriell nutzbare Lösung am Markt.
Forschungsergebnisse stimmen die Wissenschaftler hoffnungsvoll
Die Potentiale der Ultraschallbearbeitung nutzten die Wissenschaftler am IfP im Grundlagenprojekt „EnResKu – Energie- und ressourceneffiziente Nachbehandlung von Kurbelwellen im Automobilbau“. Ziel des Projektes war es, die Effekte zu bewerten, die sich durch durch die innovative, ultraschallunterstützte Nachbehandlung in Form des Ultraschallglättens beziehungsweise des Ultraschallverfestigens dynamisch hochbelasteter Automobilbauteile ergeben. Die positive Bewertung ging von einer nachhaltigen Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz in der Fertigung aus. Am Beispiel einer PKW-Kurbelwelle erfolgten im Projekt zielgerichtete Untersuchungen zur Ultraschallnachbehandlung des kritischen Bauteilbereiches „Hohlkehle“. Dieser Übergang zwischen Kurbelwellenwange und Lagersitz stellt durch die Überlagerung von Biege- und Torsionsbelastung einen extrem rissgefährdeten Bauteilbereich dar. Aktuell kommen Verfahren wie das Rollieren oder Strahlen zum Einsatz, um gezielt Druckeigenspannungen in dynamisch hochbeanspruchten Bauteilbereichen – wie auch im Falle der „Hohlkehle“ an Kurbelwellen – einzustellen und die Lebensdauer zu steigern. Die Ultraschallnachbehandlung soll hier genutzt werden, um verfahrensspezifische Nachteile etablierter Verfahren zu vermeiden. In umfangreichen experimentellen Versuchen konnte der Nachweis erbracht werden, dass die Ultraschallnachbehandlung an typischen Kurbelwellenwerkstoffen (Stahl und Gusseisen) die Umwandlung vorbearbeitungsbedingter Zugeigenspannungen in Druckeigenspannungen ermöglicht. In der zweiten Phase wollten die Wissenschaftler wissen, welche Auswirkungen der Einsatz von Ultraschall und der damit einhergehenden Erzeugung von Druckeigenspannungen auf die Lebensdauer der Kurbelwellen hat. Dabei kamen Probekörper zum Einsatz, mit denen das Geometrieelement „Hohlkehle“ nachempfunden wurde. Die Probekörper wurden im Zeitfestigkeitsbereich einer wechselnden Torsionsbelastung unterworfen.
Im Ergebnis wurde – unabhängig von der Vielzahl der im Rahmen des Projektes getesteten Ultraschallnachbehandlungsparameter – immer eine Anhebung der möglichen Lastwechselzahl bis zum Probenbruch beziehungsweise Anriss realisiert. Die aussichtsreichste Nachbehandlungsvariante ermöglichte im Mittel sogar einen Zuwachs der möglichen Lastwechselzahl um etwa 160 Prozent gegenüber der unbehandelten, lediglich spanend vorbearbeiteten, Probenvariante.
Bis zur industriellen Einführung sind weitere Forschungen notwendig
Das Beispiel der ultraschallunterstützten Nachbehandlung von Kurbelwellen macht deutlich, dass bis zur letztendlichen industriellen Einführung innovativer Fertigungsverfahren, grundlegende, wissenschaftliche Betrachtungen notwendig sind, um bauteilspezifisch die wesentlichen Einflussgrößen zu erfassen und beschreiben zu können. Dies erfordert in der Regel die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedenster Wissenschaftsbereiche. Am IfP stehen diese zur Verfügung.
Neues Projekt für neue Anwendungsmöglichkeiten
Die Wissenschaftler entwickeln in einem aktuellen Projekt eine neuartige Ultraschalltechnologie und deren Anwendung zur Oberflächenbehandlung von Umform- und Schneidwerkzeugen. Basierend auf den vorliegenden Erkenntnissen zu eigenspannungsoptimierten Spanungswerkzeugen und deren positive Auswirkungen auf das Verschleißverhalten, ist ein erhebliches Potential zur Standmengenerhöhung durch ultraschallunterstützte Nachbehandlung bei Tiefzieh-, Fließpress- sowie Schneidwerkzeugen zu erwarten. Die Ultraschalltechnologie als ein wirkenergieunterstütztes Verfahren wandelt im zu bearbeitenden Werkzeugwerkstoff Zugeigenspannungen in Druckeigenspannungen um. Bei diesen Umform- und Schneidstempeln kann auf diese Weise die verfahrensspezifische Wirkung der Radialpressung auf die Stempeloberfläche während des Stempelrückzuges positiv beeinflusst werden. Eine höhere Werkzeugstandmenge und Präzision bei der Ausformung ist die Folge.