Mit regionaltypisch begrünten Dächern Lebensräume für Insekten schaffen
Forschungsteam der Hochschule erhält im Bundesprogramm Biologische Vielfalt eine Förderung von mehr als einer halben Million Euro.
Die Hochschule Osnabrück setzt ihre Expertise für mehr insektenfreundliche Dachbegrünungen im Projekt „DaLLî ‒ Extensive Dachbegrünungen in urbanen Landschaften als Lebensraum für Insekten“ ein. Das Projekt im Bundesprogramm Biologische Vielfalt wird mit mehr als 540.000 Euro vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert.
„Im Projekt Roofs for Biodiversity, das bis Juni 2020 lief, haben wir bereits Saatmischungen aus regionaltypischen Arten der Sandtrockenrasen entwickelt“, berichtet Prof. Dr. Kathrin Kiehl. Sie bildet mit Dr. Roland Schröder und Daniel Jeschke das Forschungsteam an der Hochschule. Konventionelle extensive Dachbegrünungen bestehen in der Regel aus gebietsfremden, gezüchteten Pflanzenarten. Für die regionaltypische Biodiversität haben sie im Vergleich zu heimischen Pflanzen nur einen geringen Wert. Deshalb widmet sich das Osnabrücker Forschungsteam seit Längerem der Frage, welche Pflanzenarten aus Nordwestdeutschland den extremen Standortbedingungen auf einem Dach gewachsen sind.
Regional und konventionell begrünte Dächer werden verglichen
„Im laufenden Projekt gehen wir nun noch einen Schritt weiter und überprüfen, inwiefern die neu entwickelten Mischungen das Vorkommen blütenbesuchender Insekten fördern“, sagt Schröder. Konkret heißt das, dass die Projektmitarbeitenden in der Vegetationsperiode regelmäßig auf den Dachflächen Insekten erfassen, die sie an den Blüten finden. Um den Insekten geeignete Lebensräume zu bieten, werden auf den Dächern zudem vereinzelt kleinere Sandhaufen („Sandlinsen“) angelegt, Totholz platziert und Nisthilfen mit Schilfröhrchen unterschiedlichen Durchmessers aufgestellt. „Im Laufe der kommenden Monate und Jahre können wir unsere Art der Dachbegrünung mit üblichen Dachbegrünungen und ihrem Nutzen für die Insektenwelt vergleichen. Zudem können wir sehen, welche Pflanzen den Insekten besonders nützen“, erklärt Kiehl.
An sechs Modelldächern im Nordwestdeutschen Tiefland wird die Begrünung mit regionaltypischen Wildpflanzen im Blick auf ihre Wirksamkeit als Lebensraum für Insekten untersucht und auch weiterentwickelt. Auf dem Dach des Bibliotheks- und Hörsaalgebäudes der Hochschule Osnabrück am Campus Haste hat das Projektteam im September 2018 Versuchsflächen auf etwa 500 Quadratmetern angelegt. Hinzu kommen Gründächer externer Kooperationspartner: Dazu zählen die Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz in Schneverdingen, die Friedrich Lütvogt GmbH & Co. KG in Wagenfeld sowie die GEWOBA AG in Bremen.
„Unser Projekt ist ein Modellvorhaben, dessen Methodik auf urbane Landschaften in anderen Naturräumen Deutschlands übertragbar ist“, betont Schröder. In Kooperation mit dem BuGG – Bundesverband GebäudeGrün e.V. sollen verschiedene Fortbildungsveranstaltungen angeboten werden. Sie richten sich an Planungs-, Architektur- und Ingenieurbüros sowie an Gartenlandschaftsbau-Unternehmen. Aber auch für Behörden, Privatleute, Schülerinnen und Schüler sowie Studierende wird es Angebote geben. So werden die Handlungsempfehlungen für insektenfreundliche Dachbegrünungen möglichst vielen Menschen zur Verfügung gestellt, die sich mit dem Thema beruflich oder privat auseinandersetzen.
Zukünftig mehr Dachbegrünungen
„Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass das Wissen über naturschutzfachlich hochwertige, extensive Dachbegrünungen vielen Personenkreisen zugänglich ist und so auch die Akzeptanz und die Umsetzung grüner Dächer steigern“, sagt Kiehl. Das Potenzial ist groß. In der Ende Mai veröffentlichten Publikation „Green Deal für Stadt und Grün – Konjunkturprogramm“ vom Bundesverband GebäudeGrün e.V. heißt es: „Nur etwa neun Prozent der jährlich neu entstehenden Flachdachfläche werden begrünt.“ Die Nutzbarmachung dieser Flächen für Naturschutz und Klimaanpassung wäre angesichts der zunehmenden Verdichtung urbaner Räume auf Kosten grüner Infrastruktur aus Sicht des Forschungsteams wünschenswert.