Kunst am Bau: 48.000 Ahornsamen
„Ahornsamen, fortlaufend nummeriert, Edelstahl, Kunststoff, Motoren, elektronische Steuerung, Photovoltaikmodul“: Das sind die Bestandteile des Werks, das als „Kunst am Bau“ in einem neuen Gebäude der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen entsteht. „TIME FLIES“ nennt Jan Schmidt seine Installation, die eine begrenzte Lebensdauer von zwanzig Jahren hat.
Am zentralen Träger eines Glasdaches ist eine Edelstahlbox befestigt. Sie entlässt innerhalb eines Jahres 2400 einzeln von Hand nummerierte Ahornsamen, die langsam zu Boden rotieren. Der zeitliche Abstand ist zufallsgesteuert, unabhängig davon, ob es Tag ist oder Nacht. Zwanzig motorgetriebene und von Solarzellen gespeiste Spindeln transportieren die Propeller in numerischer Reihenfolge zur Austrittsöffnung. Die Box wird bis zum Jahr 2040 jährlich im März durch den Künstler neu bestückt. Nach zwanzig Jahren werden so 48 000 Ahornsamen durch das Foyer geschwebt sein.
„Dieses in der Natur alltägliche Schauspiel wird hier zu einem kleinen Ereignis, das mit etwas Glück zu beobachten ist“, erläutert der Künstler während der Vorstellung des Objekts. „Die Nummerierung der Samen erlaubt die Einordnung in einen zeitlichen Kontext. Werden sie aufgesammelt und mitgenommen, so erfährt das Kunstwerk eine räumliche Ausdehnung. Bringt man sie zum Keimen, trägt man den Gedanken in die Zukunft. Das Schauen in die Natur und das Lernen von ihr prägen unser Denken und Arbeiten – in der Kunst und in der Wissenschaft.“
Der Neubau in der Moltkestraße, der das Kunstwerk beherbergt, ist für den Fachbereich Maschinenbau und Energietechnik vorgesehen. Auf 2200 Quadratmetern stehen dort Labore, Büro- und Seminarräume zur Verfügung. Das Land Hessen hat das neue Fachbereichsdomizil mit 19,3 Millionen Euro aus dem Heureka-Programm finanziert. Jan Schmidt wurde im Rahmen eines durch den Kunstbeirat des Landes Hessen organisierten Wettbewerbs für die Realisierung seines Projekts ausgewählt.
Der Künstler, geboren 1973, lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Er war Meisterschüler an der Kunsthochschule Mainz und hat an der Frankfurter Städelschule studiert. Im Neuen Gießener Kunstverein war zuletzt seine Ausstellung „Grande San Paolo“ zu sehen. Werke von ihm befinden sich unter anderem in der Graphischen Sammlung des Städelmuseums und in der Kunsthalle Mannheim. Er wurde mit dem Förderpreis für junge Künstler Rheinland-Pfalz und dem Grafikpreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.
Foto: THM (Armin Eikenberg)