Erste Promotion am PZI als Meilenstein für Mittelhessen
Marcel Berlinger wird nach erfolgreicher Disputation am Promotionszentrum für Ingenieurwissenschaften am FCMH der erste Dr.-Ing. „made in Mittelhessen“
Gefeiert werden musste im ganz kleinem Rahmen: Erst mit einigen wenigen Mit-Promovierenden im Freien vor dem Zeughaus in Gießen, am Abend dann im Familienkreis. Corona macht die Würdigung eines mehrfachen Meilensteins schwierig: Marcel Berlinger aus Langenselbold ist nicht nur der erste in seiner Familie mit abgeschlossen Hochschulstudium und mit Promotion, sondern auch der erste Absolvent des Promotionszentrums für Ingenieurwissenschaften (PZI) am Forschungscampus Mittelhessen (FCMH). Vor seinem Betreuer Prof. Dr. Stefan Kolling vom Fachbereich Maschinenbau und Energietechnik der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) hat er am 14. Mai 2021 seine Dissertation erfolgreich verteidigt. Die weiteren Mitglieder der Prüfungskommission waren per Video zugeschaltet. Seine Promotionsurkunde wird die erste in Mittelhessen sein, die die Unterschrift einer Präsidentin und zweier Präsidenten trägt – und zugleich die erste überhaupt, die von einem THM-Präsidenten unterschrieben wird.
„Es ist eine große Ehre, Erster sein zu dürfen und eine Messlatte für die Zukunft legen zu können – aber ich bin auch froh, dass es vorbei ist“, kommentierte Berlinger, dessen Name nun dauerhaft mit dem PZI verbunden bleibt. Die Gründung des PZI fiel in die Zeit nach Abgabe seiner Masterarbeit, als er den Gedanken zur Promotion bereits in sich trug. Den für ihn frühestmöglichen Zeitpunkt zur Einschreibung im Oktober 2018 nutzte er. „Ich bin froh, hier diese Möglichkeit erhalten zu haben“, sagte Berlinger, der sein Bachelor- und Master-Studium an der THM absolviert hatte. Ohne das PZI hätte seine Doktorarbeit an einer anderen Universität betreut werden müssen. „Ich wollte aber in der Region bleiben“, für die Promotion wie künftig auch beruflich.
Berlingers Dissertation mit dem Titel „A Methodology to Model the Statistical Fracture Behavior of Acrylic Glasses for Stochastic Simulation“ im Fach Maschinenbau wurde gemeinsam durch Prof. Dr. Stefan Kolling (THM) und Prof. Dr. Sangam Chatterjee vom I. Physikalischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) betreut. Bei letzterer lag die Federführung für das Verfahren unter dem Dach des PZI. Für seine Arbeit untersuchte Berlinger das statistische Versagen von Acrylglas. Einen Anwendungsfall sieht er etwa in der passiven Fahrzeugsicherheit und zeigte in der Arbeit, dass die Bedeutung statistischer Effekte im Fahrzeugbau nicht vernachlässigt werden dürfe.
Für Berlinger gab es, neben der Heimatnähe, sehr gute Gründe, über das PZI zu promovieren: Die fachliche Einbindung in zwei Arbeitsgruppen, den Zugang zum gesamten Qualifizierungsangebot von THM, JLU und Uni Marburg – und die frühe Förderung durch seinen Betreuer Kolling. Dieser habe ihn schon während des Verfassens der Masterarbeit dazu animiert, am Thema zu bleiben. „Es macht mich besonders stolz, ihn als ersten Promovenden des PZI betreut zu haben“, sagte Kolling, der Gründungsmitglied des Zentrums ist. Diese erste Promotion sei ein wichtiges Signal für alle Promotionswilligen in Mittelhessen in ingenieurwissenschaftlichen Fächern. Den Promovenden lobte er für sein kompetentes Auftreten unter schwierigen Bedingungen: Marcel Berlinger hatte corona-bedingt keine Gelegenheit auf eine übliche Disputation mit Publikum. Er musste, mit allein Kolling vor Ort, Chatterjee und der fächerübergreifenden Prüfungskommission per Online-Stream Rede und Antwort stehen. „Er hat das souverän gelöst“, so Kolling.
Der Wunsch, solch motivierten und qualifizierten Absolventinnen und Absolventen in der Region eine weitere Perspektive zu bieten, ließ die drei mittelhessischen Hochschulen mit der Gründung des PZI Neuland betreten: Als erstes hochschultypübergreifendes Promotionszentrum seiner Art bündelt es die ingenieurwissenschaftlichen Expertisen der drei heimischen Hochschulen und ermöglicht es Promovierenden in zehn Fächern – von Biotechnologie und –pharmazeutik bis hin zu Raumfahrttechnik –, den Grad „Doktor / Doktorin der Ingenieurwissenschaften“ zu erlangen. Damit schließt das PZI eine Qualifizierungslücke in der Region.
THM-Präsident Prof. Dr. Matthias Willems, in diesem Jahr turnusgemäß Zentrumsleiter des PZI, zeigte sich erfreut, dass die erste Promotion ins Jubiläumsjahr seiner Hochschule fällt: „Herrn Berlinger gratuliere ich zu diesem Erfolg ganz herzlich“, sagte Willems und ergänzte: „Für uns ist die Möglichkeit, exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs am Standort bis zur Promotion zu begleiten, im 50. Jahr unseres Bestehens eine bedeutende und konsequente Weiterentwicklung unseres Angebotes an Studieninteressierte.“ Die drei mittelhessischen Hochschulen verstünden sich als Entwicklungsmotor der Region, die nun um eine zusätzliche Perspektive der ingenieurwissenschaftlichen Qualifizierung reicher sei. Den Erfolg des Leuchtturmprojekts zeigen die aktuell 44 weiteren Promovierenden und 54 professoralen Mitgliedern, insbesondere aber auch, dass die nächsten Abschlüsse diesem ersten sehr rasch folgen sollen.