„Bleibt inspiriert!“
„Bleibt inspiriert!“ Mit diesen Worten verabschiedet sich Professor Schicker bei den Zoom-Vorlesungen von seinen Studierenden. Eigentlich ist er gerade in den Ruhestand gegangen. Als Lehrbeauftragter bleibt er jedoch noch einige Zeit der Hochschule Coburg erhalten.
Zwanzig Jahre lang wirkt Rudolf Schricker an der Fakultät Design in Coburg als Professor für Innenarchitektur. Im Laufe der Zeit hat er sein spezielles Lehrgebiet „Human orientated Design“, oder „humane Innenarchitektur“ etabliert. „Da ich eigentlich in den Ruhestand gehen sollte, haben die Studierenden sich vermehrt für dieses Fachgebiet interessiert und schreiben mitunter bei mir auch ihre Bachelorarbeiten. Die betreue ich natürlich gerne weiter.“ Schricker will und kann nicht einfach mit seiner Arbeit aufhören. Sein Leben hat er der Innenarchitektur gewidmet, er gilt als „Urgestein“ in der Hochschullandschaft und als feste Größe im bdia (Bund Deutscher Innenarchitekten).
Mehr als Deko
Innenarchitektur ist mehr als Deko und sie kann viel mehr. Professor Schrickers Leidenschaft dafür ist ansteckend: „Es geht um Licht, Farbe, Akustik. Räume sollen Spaß machen und Stress wegnehmen. Man soll mit Freude in den Räumen leben.“ Das ist, was den Kern humaner Innenarchitektur ausmacht. Die relativ junge Disziplin wurde besonders durch Rudolf Schrickers Engagement, auch als Präsident und Vizepräsident des bdia, als Fach in der heutigen Form in der Lehre etabliert. „Meine Faustregel ist, mit Design möglichst wenig Stress zu erzeugen. Mit Licht und Akustik kann man Wohlbefinden im Wohn- oder Arbeitsbereich optimieren.“ Zur Wirkung von Licht gibt es wissenschaftlich belegte Standards, die fester Bestandteil der Lehre sind. Doch Schricker denkt noch weiter: „Die Innenarchitektur weiß, dass jeder Mensch individuell und nach Tagesform reagiert und auch andere Aufnahmefähigkeiten hat.“ Daher, erklärt er: „Die Lichtschalter müssen wir in die Hände der Menschen geben, damit Lichtwirkung nach den individuellen Bedürfnissen angewendet werden kann.“ Er selbst hat in den vergangenen Jahrzehnten viel ausprobiert und mit Neuerungen experimentiert. „Bei mir zu Hause sind viele Prototypen, Experimente und Relikte aus früheren Studien. Das erzählt die eigene Entwicklungsgeschichte und ich sehe, was sich bewährt hat.“
Vom Konzerthaus zum Krankenhaus
Schricker erinnert sich an den Moment, in dem es bei ihm „Klick“ gemacht hat. Nach seinem Studium an der Kunstakademie in Stuttgart hatte er bei der Planung eines Konzerthauses mitgewirkt. „Das war ein Glücksfall, denn die Auseinandersetzung mit den Musikerinnen und Musikern hat mein Leben geprägt.“ Er erzählt, dass es für ihn von da an nicht mehr „um die Verhübschung der Welt“ ging. „Ein Musiker will sein Instrument hören. Der Raum muss den Klang tragen, ihn aufnehmen, reflektieren und absorbieren.“ Einige Jahre lang plante er mit seinem Büro Konzerthäuser, bis 1993 der Ruf an die Hochschule Wismar kam, wo er die Fakultät Innenarchitektur mit aufgebaut hat. Dann, 2002, ging er zurück in seine fränkische Heimat nach Coburg, ins Hofbrauhaus: „Akademisch waren es hier paradiesische Zustände. Die Lehrfreiheit konnte ich in allen Facetten sinnvoll füllen. Und man hat mich machen lassen, das hat mich bis heute beflügelt.“
Seinen Studierenden will er die Verantwortung, die dieser Beruf mit sich bringt, deutlich machen. „Wir sind für das Glück der Menschen verantwortlich“, sagt er zu ihnen. Vor allem in den Projekten, wie der Neugestaltung des Kreissaals am Klinikum Coburg, oder der Gestaltung von Altenheimen oder Kindergärten merken die angehenden Innenarchitektinnen und -architekten, wie wichtig es ist, empathisch zu sein und die Bedürfnisse der Menschen zu kennen. Aktuell arbeitet Schicker an einem neuen Projekt mit Studierenden in Kooperation mit dem Regiomed Klinikum. „Damit es den Patienten besser geht und sich das Personal am Arbeitsplatz wohler fühlt, werden wir das alte Klinikgebäude in der Ketschendorfer Straße zunächst wissenschaftlich untersuchen. Dann schlagen wir Designmaßnahmen vor, die die Räume attraktiver, zeitgemäßer und gesünder machen sollen.“
Oberfranken meets Turkey
Der gebürtige Marktredwitzer beschreibt sich als Genussmensch: „Ich brauche Menschen um mich, das menschliche Miteinander ist so wichtig. Gerade für uns, die wir für andere Menschen Räume gestalten.“ Gastfreundschaft und Geselligkeit waren es auch, die von 2004 bis 2014 viele Reisen des Studiengangs in die Türkei so besonders machten: „Ein deutsch-türkischer Kollege hat sich für die länderübergreifende Freundschaft eingesetzt und hat die Kontakte hergestellt.“ So kam es zu gegenseitigem Austausch und regelmäßigen Exkursionen, etwa nach Istanbul. Noch immer wird er von ehemaligen Studierenden auf diese inspirierende Zeit angesprochen. Dieses Engagement Rudolf Schrickers zeigt, wie sehr er sein Fach liebt und dafür immer noch brennt. Er resümiert: „Die Verantwortung als Hochschullehrer geht weit über das eigene Lehrgebiet hinaus.“ Das merken auch die Studierenden, seine Botschaft wird sich in vielen Köpfen fest verankern: „Bleibt inspiriert!“
Foto: Hochschule Coburg