Autonomes Fahren mit 5G
Wie der neue Mobilfunkstandard 5G den ÖPNV besser und billiger machen kann
Hochschule Reutlingen hat im Auftrag der Landkreise Reutlingen, Sigmaringen und Zollernalbkreis sowie der Stadt Reutlingen ein Konzept „5G für öffentliche Mobilität“ erstellt. Autonom und ferngesteuert fahrende Shuttle-Busse sollen Mobilität in ländlichen Regionen verbessern und Alternativen zum Auto bieten. Autonomer Shuttle-Verkehr als Pilotprojekt in der Outletcity Metzingen geplant.
Zeigen, wie der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) vor allem in ländlichen Regionen mit Hilfe des neuen Mobilfunkstandards 5G besser und günstiger werden kann. Das ist das Ziel eines Konzepts, das die Landkreise Reutlingen (Federführung), Sigmaringen und Zollernalbkreis sowie die Stadt Reutlingen in Auftrag gegeben hatten. Es wurde in den letzten sieben Monaten am Lehr – und Forschungszentrum Wertschöpfungs- und Logistiksysteme der ESB Business School der Hochschule Reutlingen erarbeitet, jetzt fertiggestellt und an den Landrat des Landkreises Reutlingen Thomas Reumann übergeben.
„Integrierte vernetzte Verkehrssysteme und innovative Mobilitätskonzepte sind notwendig, um den ÖPNV zukunftssicher aufzustellen“, sagte Reumann, als er das vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) geförderte Konzept entgegennahm. „Der neue Mobilfunkstandard 5G hat das Potenzial, autonomes Fahren zu ermöglichen und damit vor allem der Bevölkerung in ländlichen Regionen deutliche Verbesserungen in der Mobilität zu bringen.“
5G-Technik ermöglicht den sicheren Betrieb autonom fahrender Busse
„Der 5G-Mobilfunkstandard ist eine Schlüsseltechnologie, wenn es darum geht, die Kosten des öffentlichen Nahverkehrs gerade in ländlichen Regionen deutlich zu reduzieren und gleichzeitig seine Attraktivität zu steigern“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Echelmeyer. Der Ingenieur ist Professor für Materialfluss/Logistik an der ESB Business School in Reutlingen und hat das Konzept mit seinem Team über die vergangenen sieben Monate erarbeitet. Die zentrale Erkenntnis lautet: Die 5G-Technik ermöglicht den sicheren Betrieb autonom fahrender Busse. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen erlauben bisher noch keinen vollständig autonomen Verkehr. Deshalb sitzt in entsprechenden Versuchen immer ein Fahrer im Fahrzeug, der im Bedarfsfall sofort eingreifen kann. Echelmeyer hält es jedoch für möglich, dass dank 5G-Technik Busse auch ohne Fahrer unterwegs sein können. Die Busse fahren dabei in der Regel computergesteuert und werden von einer Person überwacht, die nicht im Bus, sondern in einer Steuerungszentrale sitzt und dort für mehrere Busse zuständig ist. Dieser sogenannte Operator oder Disponent kann das Fahrzeug jederzeit stoppen und alternative Routen eingeben. „Wenn es gesetzlich erlaubt wird, kann er die Fahrzeuge sogar direkt steuern.“ Denn bei der 5G-Mobilfunktechnik ist die Schnelligkeit und die Menge der Daten so groß, dass jederzeit eine sichere Daten- und Bildübertragung ohne spürbare Verzögerung und damit eine Steuerung in Echtzeit möglich ist.
5G-ÖPNV bringt ganz nebenbei leistungsfähiges Internet aufs Land
Die 5G-Nutzung für den ÖPNV hat laut Echelmeyer außerdem einen zusätzlichen Effekt von enormer gesellschaftlicher Bedeutung. „Der ÖPNV wird damit zum Ankernutzer von 5G auf dem Land. Das bedeutet: Es lohnt sich für die Mobilfunk-Anbieter, auch auf dem Land die entsprechende 5G-Infrastruktur bereitzustellen. Und damit erhalten Firmen wie Privatpersonen dort endlich jenen leistungsstarken Zugang zum Internet, der bisher in vielen Regionen immer noch fehlt.“
Kann das Projekt umgesetzt werden, sind drei verschiedene Phasen vorgeplant. In einer ersten Projektphase sind technische Tests im Industrie- und Gewerbepark RT_Unlimited vorgesehen. Auf dem 12 Hektar großen Areal im Herzen der Stadt Reutlingen wird – unabhängig vom jetzt vorgestellten Projekt – eine 5G-Infrastruktur für die industrielle Forschung aufgesetzt. Diese kann genutzt werden, um in dem Areal eine Funkfernsteuerung von Bussen über einen Leitstand zu testen.
Autonome Shuttle-Busse bringen Besucher in die Outletcity Metzingen
In der zweiten Projektphase soll die Outletcity in Metzingen über Shuttle-Busse einerseits mit den Parkplätzen vor der Stadt verbunden werden, andererseits auch mit dem Metzinger Bahnhof. „Hier haben wir sowohl unsere Gäste und Kunden im Blick, die mit dem Auto oder mit der Bahn zum Einkaufen kommen, als auch Mitarbeiter der Outletcity Metzingen und Bewohner, die diese Shuttleverbindung aktiv nutzen können“, sagt Reinhard Keuerleber, projektverantwortlich bei der Holy AG.
Aufbauend auf diesen Erfahrungen sind in einer dritten Projektphase Machbarkeitsstudien für weitere Shuttle-Verkehre angedacht. Einer zwischen dem Burgparkplatz und der Burg Hohenzollern, ein zweiter in Mehrstetten auf der Schwäbischen Alb, wo ein neuer Bahnhalt mit dem Ortskern verbunden werden soll, und ein dritter und vierter in Balingen und Bad Urach, wo u.a. jeweils die Gäste der 2023 und 2027 geplanten Landesgartenschauen befördert werden sollen.
„Das Interesse vor Ort und auf Seiten der Industrie ist riesig“, sagt Echelmeyer. So haben u.a. ZF Friedrichshafen, DB Regio Bus, die comcross GmbH & Co. KG (Infrastruktur-Pionier für 5G) und die Holy AG (Verwalterin der Outletcity Metzingen) zugesagt, bei der Umsetzung des Projekts mitzuwirken.
Im nächsten Schritt wird das erstellte Konzept beim Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) in dessen 5G-Innovationsprogramm eingereicht. Das BMVI stellt den erfolgreichen Konzepten in diesem Wettbewerb eine Förderung von bis zu vier Millionen Euro in Aussicht. „Sollten wir den Zuschlag erhalten, könnte die Umsetzung des Konzepts im Frühjahr 2021 starten“, hofft Landrat Thomas Reumann. Das Projekt ist bisher auf eine Gesamtlaufzeit von drei Jahren ausgelegt.
Foto: ZF Friedrichshafen AG